Es geht ein Gespenst um in Europa, das Gespenst Wasserstoff. So könnte man die einleitenden Worte Karl Marx‘ und Friedrich Engels zum kommunistischen Manifest für das 21. Jahrhundert umformulieren. Kein Plenum verstreicht, ohne dass wir uns in diesem Haus mit Themen der Energiewende oder der Klimakrise beschäftigen. Und das völlig zurecht. So auch am heutigen Tag auf Antrag der FDP. Wasserstoff ist zukunftsträchtig und problembelastet zugleich. Gleichwohl überwiegen für uns FREIE WÄHLER eindeutig die positiven Aspekte.
Lassen sie mich beide Seiten der Medaille beleuchten: Die bestehende Infrastruktur des Gasnetzes ist gleichzeitig die Grundlage für die Verteilung von Wasserstoff in unserem Energiesystem. Es ist jedoch bekannt, dass dieses Netz im Rahmen einer Ertüchtigung zuvor „H2-ready“ gemacht werden muss. Vor dem Hintergrund eines Gemeinschaftsprojekts des Energieversorgungsunternehmens Avacon und des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches wird aktuell in Sachsen-Anhalt ein Pilotprojekt durchgeführt, das belegen soll, zu welchen Anteilen Wasserstoff in bestehende Gasnetze eingespeist werden kann. In Schritten von 10, 15 und 20 Prozent Wasserstoffanteil soll untersucht werden, welche Auswirkungen die Beimischung von Wasserstoff auf die Gasnetze und Endverbraucher hat. Die bisherigen Ergebnisse sind durchweg positiv, sodass davon auszugehen ist, dass auch eine Beimischung von 20 Prozent – das ist die Endphase des Projekts zum Jahresende – unkritisch ist.
Aber auch hier in Rheinland-Pfalz gibt es vielversprechende Projekte, die das Thema Wasserstoff aufgreifen und bemerkenswerte Erfolge erzielen. Das sogenannte Smartquart in Kaisersesch ist wohl das prominenteste Beispiel. Am dortigen Standort ist die gesamte Wertschöpfungskette von Erzeugung, Transport, Umwandlung, Nutzung bis zur Speicherung intelligent miteinander vernetzt. Der Wasserstoff Micro-Grid wird mit Energie aus umliegenden Windkraft- und Photovoltaikanalgen versorgt. Durch den Elektrolyseur entsteht aus dem grünen Strom grüner Wasserstoff, der dann für Betrieb von Wasserstoffbussen dient oder ins Wärmenetz eingespeist wird. Und natürlich besteht dort auch die Möglichkeit, Wasserstoff zu speichern und dann entsprechend zu verteilen.
Kurzum, beide Beispiele belegen: Potential ist vorhanden.
Ein Blick über die Landesgrenzen zeigt außerdem, dass die Wasserstoffwirtschaft zukünftig ein essentieller entwicklungspolitischer Baustein sein wird. Die „Allianz zur Entwicklung des Power-to-X-Sektors“ mit unserem Reformpartnerland Marokko verdeutlicht, wie wir zukünftig mit dem afrikanischen Kontinent kooperieren können, um die Energiewende weltweit zu einem sozialen Erfolgsgaranten zu machen. Die dortige Referenzanlage soll eine Elektrolyseleistung von 100 Megawatt erreichen und wird somit nicht nur Arbeitsplätze vor Ort schaffen, sondern auch den Export von grünem Wasserstoff nach Deutschland ermöglichen. All diese Dinge lassen hoffen, dass Wasserstoff zukünftig eine exponierte Rolle in unserer Energiewirtschaft einnehmen wird. Sei es im Wärmenetz oder natürlich auch im Bereich Mobilität.
Leider, meine Damen und Herren, kommen nun einige Wermutstropfen. Wir müssen massiv investieren, um eine flächendeckende H2-Readiness zu erreichen. Für die Herstellung von Wasserstoff-Brennzellen wird der Rohstoff Platin benötigt, der in der Anschaffung wiederum sehr teuer ist. Die Menge an Energie, die zur Elektrolyse benötigt wird, ist unter Umständen größer, als die Menge, die aus dem Vorgang gewonnen werden kann. Besonders kritisch ist dies, wenn für die Elektrolyse fossile Brennstoffe verwendet werden.
Die Speicherkapazitäten und Transportmittel für Wasserstoff müssen erheblich ausgebaut werden. Denn auch wenn Wasserstoff grundsätzlich das am häufigsten vorkommende Element im Universum ist, muss es von a nach b gebracht und gelagert werden können. Und um bei der Verkehrswende realistisch mit Wasserstoff planen zu können, muss doch zumindest die dafür notwendige Tankstelleninfrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Damit Wasserstoff also nicht das marxsche Gespenst bleibt, sondern sich materialisiert, muss noch viel Zeit und Geld in Forschung- und Entwicklungsvorhaben investiert werden. Der Haushaltsentwurf für die Jahre 23 und 24 wird zeigen, wie ernst die Landesregierung das Thema Wasserstoff tatsächlich nimmt.
Es gilt das gesprochene Wort.