Die Jahre der Krisen: Beginnend mit der Corona-Krise am 31. Dezember 2019 in Wuhan in China sind wir hier in Rheinland-Pfalz nach dem fürchterlichen Ereignis im Ahrtal in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 nun bei der dritten und aus meiner Sicht auch hoffentlich letzten Krise, dem Ukraine-Krieg, angekommen. Die Arbeitsmarktlage vor Beginn der Pandemie war innerhalb von Rheinland-Pfalz durchaus als stabil zu bezeichnen. Es ist aus meiner Sicht verständlich und nachvollziehbar, dass in der Phase des Lockdowns das Instrument des Kurzarbeitergeldes durchaus dazu beigetragen hat, einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit und den damit verbundenen Verlust der Beschäftigung zu verhindern. Es hat als Instrument jedoch nicht ausgereicht, den nun vorherrschenden Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen.
Eine weitere eben genannte Herausforderung, die Ukrainekrise, stellt uns vor neue Schwierigkeiten. Der fehlende Platz an Unterkünften für die vom Krieg geflohenen Ukrainer bereitet unseren Kommunen Druck. Die Anerkennung von Qualifizierungen sowie der Spracherwerb für eine schnelle Arbeitsplatzintegration lindern diesen Druck auf die Sammelunterkünfte und ermöglichen den Flüchtlingen eine eigene Unterkunft. In welchen Sektoren hier ein erheblicher Nachholbedarf besteht, zeigen Art und Geschwindigkeit des Integrationsprozesses. Neben der Integration von Flüchtlingen in die Arbeitswelt dürfen wir unsere eigenen Bürgerinnen und Bürger nicht vernachlässigen. Arbeitssuchenden, die hier leben, muss eine gleichwertige schnelle Arbeitsplatzintegration angeboten werden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Landesregierung setzt dahingehend Schwerpunkte in der Arbeitsmarktpolitik, die aus ihrer Sicht zur Sicherung des Fachkräftebedarfs notwendig sind. Diese gliedern sich grob beschrieben in die Teilbereiche der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, der Beseitigung des Fachkräftemangels mit einem besonderen Blick für das Gesundheitswesen und einer Verbesserung der Berufswahlkompetenz.
Alle drei genannten Schwerpunkte dienen dazu, die Armut und den Fachkräftemangel im Land zu bekämpfen. Ein ehrbares Ziel. Ein Ziel, das wir FREIEN WÄHLER gerne mittragen und uns in gewohnter Manier durch konstruktive Kritik einbringen werden. Und genau an dieser Stelle befinden wir uns jetzt. Die langjährige Stabilität wird aktuell, gestört durch den Fachkräftemangel, von unseren Bürgerinnen und Bürgern nicht länger wahrgenommen. Ein Hauptakteur, der auch ohne alle Krisen an der Stabilität gerüttelt hätte, ist der demographische Wandel in der Arbeitswelt im Zeitalter der Transformation. Genau jener ist im Haushalt 2023/24 kein Schwerpunkt, der jedoch aus meiner Sicht zur Bekämpfung des Fachkräftemangels hätte aufgegriffen werden müssen.
Sie haben in ihrem Haushalt, Herr Schweitzer, viele tolle Dinge auf ihrer Agenda stehen, die ich befürworte. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie die Anpassung der Arbeitskräfte und Unternehmen an die Transformation der Arbeitswelt. Sie haben Maßnahmen zur Krisenintervention und darüber hinaus eine aktive Inklusion durch Förderung der Chancengleichheit und aktive Beteiligung und Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit in ihrem Haushalt aufgeführt. Nichts davon möchte ich gestrichen wissen! Doch wo bleibt der Masterplan wenn Menschen aus dem Berufsleben altersbedingt ausscheiden? Welche Maßnahmen hat die Landesregierung in Petto um vorhandenes Fachwissen nicht zu verlieren. Die eher verhaltene prozentuale Steigerung auf dem Markt der Menschen, die in einem Beschäftigungsverhältnis sind und das trotz Krise, ist kein Misserfolg. Es ist dennoch so zu verstehen, dass der Arbeitsmarkt in Rheinland-Pfalz auf Zuzug von außen angewiesen ist.
Dem Haushalt fehlt dahingehend eine langjährige und dauerhafte familienorientierte Zuwanderungsstrategie zur Deckung des Fachkräftemangels in Rheinland-Pfalz. Wir brauchen dringend neben den Zufluchtssuchenden eine Zuwanderungsstrategie, die Familien langfristig an unsere Heimat bindet und integriert, mit dem Ziel für nachkommende Generationen, die hier geboren und aufgewachsen sind, sich als Teil unserer Gesellschaft zu verstehen.
Meine Damen, meine Herren, neben der gesellschaftlichen Teilhabe durch Integration ist die soziale Teilhabe sowie die Versorgung durch soziale Dienstleistungen ein weiterer Baustein, der zu wenig Wertschätzung findet. Nachdem die Pflegeausbildung zentralisiert ist, und ich gespannt auf die damit verbundenen Erfahrungsberichte blicke, ist eine neue Fokussetzung nötig. Ganz gezielt möchte ich hier auf den primärqualifizierenden Bachelorstudiengang Pflege (B.Sc.) eingehen. Der generalistische Studiengang mit einer Dauer von sieben Semestern beinhaltet zwei Abschlüsse und ermöglicht dadurch eine Berufszulassung als Pflegefachfrau/Pflegefachmann und einen akademischen Abschluss als Bachelor of Science in Pflege.
Gegenüber der beruflichen generalistischen Pflegeausbildung wird hier ein erweitertes Ausbildungsziel verfolgt. Die Befähigung der selbstständigen, umfassenden und prozessorientierten Pflege von Menschen aller Altersstufen in allen pflegerischen Settings auf wissenschaftlicher Grundlage und Methodik. Das bedeutet: Wissenschaftsbasierte Steuerung und Gestaltung hochkomplexer Pflegeprozesse unter Einbeziehung aktueller pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse zur Entscheidungsfindung. Kurzum, es sind die Frauen und Männer in Sachen Pflege, die sowohl die Pflegeausbildung der Zukunft als auch die Gestaltung der Pflege in den Heimen, den betreuten Wohneinrichtungen oder auch zu Hause revolutionieren sollen.
Es sind nun eben die Fachkräfte die Zukünftig Sie und mich einmal Pflegen werden, wenn wir Pflege brauchen sollten. Es sollte dahingehend unser aller Anliegen sein, Menschen für diesen Berufszweig zu gewinnen. Aktuell sind die angebotenen Studienplätze nicht einmal mit 50% belegt. Wie soll und kann bei der Unterbesetzung der Fachkräftemangel im Pflegebereich kompensiert werden? Neben den bestehenden Stipendien muss es doch ein Anliegen der Landesregierung sein, eine attraktive Honorierung des Studiengangs zu ermöglichen, die junge Menschen oder auch Quereinsteiger dazu ermutigen, sich für ein Pflegestudium zu begeistern. Pflege und Betreuung benötigen eine qualitativ hohe Ausbildung mit entsprechender Vergütung.
Und da wären wir auch schon auf der nächsten Baustelle. Die Betreuung. Das Anhörverfahren, das in diesem Monat in Sachen Betreuungsrecht stattgefunden hat, hat doch eindeutig gezeigt, dass alle Anzuhörenden einen gemeinsamen Nenner gefunden haben. Sowohl die Betreuungsvereine als auch die Betreuungsbehörden waren im Einklang darüber, dass es zu einem erheblichen Mehraufwand bei Personal- und Sachkosten in der Umsetzung des Gesetztes kommen wird. Keine Sorge meine Damen und Herren. Das Gesetz soll ja umgesetzt werden. Nur wenige Feinheiten in der Abstimmung hierzu sind notwendig.
Während die Betreuungsvereine einen Mehraufwand von etwa 980.000€ bis hin zu 1,2Mio.€ betiteln, gehen die Betreuungsbehörden eine Stufe höher und sehen hier einen Mehraufwand von 3,5 Mio. € bis 5,8 Mio. €. Das muss wohl vermutlich daran liegen, wie das Konnexitätsprinzip angewandt wird und wie Vereine aber auch Kommunen beteiligt sind. Doch damit nicht genug. Auch hier schwebt das Damoklesschwert über den Kommunen, die mehrheitlich nicht über das Fachpersonal zur Umsetzung des Gesetztes verfügt. Den Gesetzentwurf jetzt dennoch durchzupeitschen, um die Mängel in der Realpraxis zu ermitteln, kann durchaus zum Erfolg im Nachgang führen.
Mit dem Hintergrund, was passieren würde, wenn wir eben kein eigenes Landesgesetz an den Start bringen würden, Herr Minister, dann macht die Entscheidung durchaus Sinn. Nur wir sollten hier den Vergleich zu den deutschen liebstes Kind ziehen – dem Automobil. Wenn ein Prototyp seine ersten Runden im Hof dreht, dann wird gleich nach den ersten Mängeln gesucht, um größeren Schaden zu vermeiden. Genau so habe ich es im Ausschuss auch verstanden, eine Proberunde drehen und evaluieren. Mängel ermitteln und Verbesserungen anstreben. Meine Damen, meine Herren, wer würde freiwillig einen Prototypen ohne Luft in den Reifen auf die erste Proberunde schicken? Vermutlich keiner.
In dem Zusammenhang wäre es auch dringlich nötig, die Rechtslage bei der Ehrenamtspauschale im Urlaubsfall auf den Prüfstand zu stellen. Es lässt sich aus meiner Sicht nicht unter einen Hut bringen, wenn wir Ehrenämtler für ihr Engagement zum einen auszeichnen und dann hier die Ehrenamtspauschale kürzen, wenn ein Ehrenamtler als Betreuer in Urlaub gehen will. Mir ist bewusst Herr Schweitzer, dass das im Bund eine Klärung finden muss. Ich hoffe und baue darauf, dass ihr langer starker Arm und ihre gute Connection für die Ehrenamtler in Rheinland-Pfalz eine positive Lösung finden werden. Der Gesetzentwurf wird von den Freien Wählern dahingehend abgelehnt, da der Mehraufwand sowohl finanziell als auch personell nicht berücksichtigt ist.
Eine weitere Baustelle: die Digitalisierung. Die Cyberattacke auf die IT-Infrastruktur der Kreisverwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises richtete einen erheblichen Schaden an. Die Dauer des Ausfalls wurde in den frühen Tagen nach dem Hackerangriff auf circa sechs Monate betitelt. Neben den 600 Rechnern, die als monetärer Schaden gelten, gilt es den Schaden am Vertrauen und dem Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in ihre Verwaltung zu beheben. In der letzten Rede zum Haushalt wurde betont, dass das Land den Kommunen und Gemeinden beratend zur Seite stehen soll. Bei Problemen in der Umsetzung in den Behörden selbst herrscht hier ein großes Defizit. Auch das Angebot der Aufklärung für neue Technologien in der Cybersicherheit und Datensicherung ist längst nicht mehr ausreichend und sollte erweitert werden.
Die Frage nach der Anwerbung von Fachkräften für Datenverarbeitung bleibt nicht nur eine Frage der Attraktivität der Stellen allein. Wie im Ausschuss für Digitalisierung jüngst das Ministerium mitteilte, wird der Staat nicht mit den Angeboten der Privatwirtschaft konkurrieren können. Der Plan für dieses Problem externe Firmen zu beauftragen, erscheint sinnvoll.
Meine Damen, meine Herren, sind wir doch mal realistisch: Wenn selbst die Medienanstalt Rheinland-Pfalz bis zu 30.000 Hackerangriffe im Monat abwehren muss und eine Kommune wie Schifferstadt täglich zwischen 1.000 bis hin zu 10.000 Hackerangriffen am Tag ausgesetzt ist, dann ist Beratung nicht die beste Lösung. Das Land ist hier dringend gefordert, die Ressourcen im eigenen Haus mit denen in den Kommunen zu bündeln, um ein eigenes aktives Cyber-Abwehr-Center aufzustellen. Hier muss die Komfortzone der Beratung verlassen werden. Ein Bedarf an Serverinseln für unsere Kommunen ist nicht unerheblich. Diese sollten mit Hilfe der Ressourcenbündelung gesichert und betrieben werden. Die Sicherheitszertifikate, die für den Abschluss einer Versicherung gegen Hackerangriffe benötigt werden, müssen im Cyber-Abwehr-Center aufgebaut und erstellt werden. Damit realisieren wir die Grundvoraussetzungen für unsere Kommunen, um eine Versicherung abzuschließen.
Das neu aufgestellte Cyber-Abwehr-Center soll so wie es geplant ist, unter Einsatz von Spezialisten aus der Privatwirtschaft einen Cyber-Abwehr-Schild errichten, der die Zugangsmöglichkeiten von außen in das kommunale IT-Netz minimiert. Die Diskussion über die Einführung und den Einsatz einer Software für alle Behörden in Rheinland-Pfalz muss auf den Tisch kommen und beraten werden. Die Sicherheit unserer Behörden und die dort abgelegten Daten unserer Bürgerinnen und Bürger haben oberste Priorität.
Es gilt das gesprochene Wort.